Verrücktheit im Sufismus – A. Nurbakhsh (Rede)
Heute werde ich einige Worte über die Bedeutung der Verrücktheit im Sufismus sagen. Wie Rumi es sagte – „Ich habe den selbst-beschützenden Intellekt erlebt, von nun an werde ich mich verrückt machen.“
In gewöhnlicher Terminologie ist ein Irrer oder ein verrückter Mensch im alltäglichen Leben jemand, der die alltäglichen Konventionen und zulässigen Verhaltensweisen, die von allen akzeptiert werden, nicht beachtet. Wenn beispielsweise jemand laut zu sich selbst spricht, so bedeutet das einfach, dass dieser Mensch die Norm nicht beachtet. In Sufismus werden gewisse Normen von den Sufis auch nicht beachtet, aber im Gegensatz zu den Verrückten sind sie sich bewusst, dass sie diese Normen nicht beachten. Auf einige dieser Nichtbeachtungen solcher Normen werde ich heute hinweisen. Vom ersten Tage an, wenn wir in diese Welt kommen, wird uns als übliches und akzeptiertes Verhalten beigebracht, zuerst an uns selbst zu denken und erst danach an andere. In jeder modernen Gesellschaft ist das meist die akzeptable Norm. Der Verrückte Gottes glaubt nicht daran und handelt auch nicht dem entsprechend. Er oder Sie wird zuerst an andere denken und will sich zuerst um andere kümmern, bevor er oder sie sich um sich selbst kümmert.
Zweitens wird uns im gewöhnlichen Leben beigebracht, diejenigen zu lieben, die uns lieben, denen gegenüber gütig zu sein, die uns gegenüber gütig sind und denen gegenüber gleichgültig zu sein, die uns gegenüber gleichgültig sind oder feindselig denen gegenüber zu sein, die sich uns gegenüber feindselig oder aggressiv zeigen. Auch das glaubt der Verrückte Gottes nicht und folgt nicht dieser Norm. Er oder Sie wird liebevoll sein, was auch immer der Fall ist, ob die Person ihm oder ihr gegenüber liebevoll oder harsch ist.
Die dritte Norm oder akzeptiertes Verhalten ist, dass man uns beigebracht hat mit unserem Leben zufrieden zu sein, wenn die Welt unserem Verlangen und unseren Wünschen entspricht. Wenn das Gegenteil der Fall ist und die Welt nicht unseren Wünschen entspricht, so werden wir unzufrieden und fangen an uns zu beschweren und uns kommt es vor, als ob es das Ende der Welt ist. Auch das glaubt der Verrückte Gottes nicht und verhält sich nicht dem entsprechend. Er oder Sie ist zufrieden, was auch immer geschieht. Die Beispiele, die ich hier aufgezeigt habe, verdeutlichen, was es im Sinne des Sufismus heißt, im Zustand oder in der Station der Verrücktheit zu sein. Aber das ist keine einfache Aufgabe oder etwas, was man einfach tun kann – nämlich im Zustand der Verrücktheit zu sein – sodass solche Art von Verhaltensweisen sich zeigen und sich natürlich ereignen.
Die meisten von uns oder gewöhnliche menschliche Wesen, die einfach nur ihr normales Leben führen – wir leben nicht diesen Zustand, indem wir wirklich liebevoll, unabhängig von der Situation, sein können. Was wir somit tun sollten, ist diese Verrücktheit, so wie ich es erklärt habe, zu praktizieren. Die zwei oder drei Tage, die ihr hier seid, ist die perfekte Gelegenheit diese Verrücktheit auszudrücken, ohne für euer Verhalten kritisiert oder beschuldigt zu werden. Und die Hoffnung ist die, dass je mehr du das praktizierst, du mit Gottes Gnade der Station der Verrücktheit näher kommst, wo solch eine Art von Verhalten für dich natürlich ist und zu deinem Zustand wird.
Die Rede wurde bei einer Versammlung in Juni 2012 gehalten.
Die Verrücktheit der Sufis ist das Heilmittel für den „ganz normalen Wahnsinn“ der Welt 🙂